Heute ist der schwedische Nationalfeiertag. Traditionell feiert man ihn nicht. Früher hieß er Tag der schwedischen Fahne und wurde höchstens dadurch gefeiert, dass sich ein paar Honorationen einander mit Reden langweilten und die Blasmusik spielte. Ich weiß, ich war nämlich einmal dabei und habe das Geschehen beobachtet. Vor gar nicht langer Zeit bestimmte dann die Obrigkeit, dass der Tag der schwedischen Fahne zu einem Feiertag (und dafür der Pfingsmontag gestrichen) werden sollte. Das Timing war wohl nicht so perfekt, weil gleichzeitig fanden die Urheber des Nationalfeiertags (der Grund, warum der 6.6. ausgewählt wurde, ist nicht besonders klar), dass alles was „national“ heißt, ganz schlimm wäre. Also mussten sie sich selbst aus der Klemme helfen, und den Feiertag „anders“ feiern, d. h. wie eine Art Mischung aus Christopher Street Day und Multikulti. Das Konzept ist nicht wirklich aufgegangen. Die Schweden feiern wie immer Mittsommer als eine Art inoffizieller Nationalfeiertag. Am heutigen freien Montag wird wahrscheinlich der Rasen gemäht.
Ganz früher, vor 1000 Jahren, feierte man aber schon Mittsommer und Mittwinter. Oft gab es zu den verschiedenen Feiertagen blutige Opferungen, wo u. a. manches Pferd dran glauben mussten. Hinterher gab es Pferdeeintopf. Als die Kirche später etwas zu sagen bekam, wurde daher Pferdeeintopf total verboten. Es gibt eine Geschichte von zwei Königen; der eine war schon Christ, der andere noch Heide, die sich treffen und zusammen essen wollten. Es gab leider zuerst diplomatische Verwicklungen bei dem Treffen, da der getaufte König sich weigerte, von dem angebotenen Pferdeeintopf zu essen. Es hätte ein Krieg zwischen Schweden und Norwegen ausbrechen können. Aber schließlich einigten sie sich darauf, dass der Christ wenigstens am Essen riechen sollte.
Ich bin auf die Geschichte gestoßen, als ich aus gegebenen Anlass nach einem Rezept für Pferdegulasch suchte. Auf dem Viktualienmarkt in München gibt es ein Laden für Pferdefleisch, wo ich ein Pfund Gulasch gekauft habe. Pferdefleisch soll sehr gesund und mager sein. Tatsächlich schmeckt es ziemlich nach Wild. Die Wikinger haben jedenfalls Sellerie, Zwiebeln und Möhren gekannt. Speck hatten sie auch, und theoretisch hätten sie Pilze (wobei ich nicht weiß, ob sie die gegessen haben – später, bis in die Neuzeit, wurden Pilze nicht gegessen) und Wein (falls sie gerade welchen auf einem Raub- oder Handelszug besorgt hätten). Was sie nicht hatten, war sicher Tomatenmark und Pfeffer. Dafür passen Wacholderbeeren sehr gut zum Fleisch. Wenn man bedenkt, was für Wikingeressen auf der tollen Wikingerausstellung in Rosenheim aufgetischt wird, würde ich aber meinen Pferdeeintopf für richtig authentisch halten.
Das Pferdefleischtabu blieb ewig lange. Es gibt da eine tragische Geschichte aus meiner Heimat, wo der Erbe von einem schönen Gutshof, ein adeliger Offizier mit demokratischen Ansichten, ohne zu denken den Pferdemetzger per Handschlag grüßte, worauf er völlig entehrt wurde, seinen Beruf und seinen Hof verlor und auswandern musste. Das muss Ende des 18. oder Anfang des 19. Jahrhunderts gewesen sein. Um die Zeit versuchte die Regierung jedoch den armen Leuten das Pferdefleisch wieder schmackhaft zu machen, weil es doch eine Verschwendung wäre, das gute Fleisch zu verscharren, wo Leute hungerten. Es hat nicht sehr gut geklappt. Nur als Salzfleisch auf Butterbrot wurde Pferdefleisch akzeptiert. Wer also „Hamburgerkött“ abgepackt in dünnen glänzenden Scheiben kauft, bekommt meistens noch Pferdefleisch. Meine Oma hat z. B. immer „Hamburgerkött“ vorrätig gehabt, lange bevor die „Hamburger“ aus Amerika in Schweden Fuss fassten.